Der Gender-Raub

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Eine feministische Auseinandersetzung mit Transgenderismus

von T M Murray

Das Gender-Konzept war mal cool. Unbeugsame Feministinnen wie Simone de Beauvoir, nutzten es um das, was zwischen den Beinen ist (sex [Anm. d. Übers: biologisches Geschlecht]) von dem zu unterscheiden, was zwischen den Ohren ist (gender [Anm. d. Übers: soziales Geschlecht]). Mit dem ersten kamst du zur Welt. Das letztere wurde dir anerzogen. Das zwischen deinen Ohren wurde dir durch die Indoktrination der patriarchalen Kultur eingepflanzt.

Als Frauen begannen, Rollen oder Positionen einnehmen zu wollen, die nur für Männer reserviert waren, griffen die Patriarchatspropagandisten auf die „Natur“ zurück, um dem patriarchalen System den Rücken zu stärken. Diese Taktik ging auf, weil unsere Kultur so voll gestopft ist mit Stereotypen, dass diese beinah „natürlich“ wirken. Die Theorie des biologischen Determinismus wurde benutzt um zu erklären, warum das Patriarchat keine politische Angelegenheit sondern eine biologische Zwangsläufigkeit sei. Soziobiologen wie E.O. Wilson vertraten vehement, dass das Patriarchat andauert, weil Gene die Kultur bedingen.

Der Ansatz war nicht neu. Freud hatte die patriarchale Kultur in Penis und Vagina (vor allem im allmächtigen Penis) verankert. Christliche Traditionalisten betrachteten schon von Beginn an die Verknüpfung der patriarchalen sozialen Ordnung mit den reproduktiven Funktionen als etwas durch die „Schöpfung“ Gegebenes, entsprechend für die Frau verbunden mit der Rollenzuschreibung als Mutter und Ehefrau. Evas Sünde und ihre Bestrafung durch Gott festigte die unterwürfige Beziehung der Frau zu ihrem Ehemann weiter. Paulus gab noch eine Prise Autorität des neuen Testaments hinzu, indem er von Frauen forderte, „ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn.“ Die heilige Institution der Ehe war eine menschliche Erfindung, enthielt aber die Absicht „Gottes“.

Ein paar sture Feministinnen weigerten sich, diese „Vernatürlichung“ des Patriarchats und seinen begleitenden biologischen Determinismus mitzumachen, und sahen die Erklärung für männliche Dominanz stattdessen in sozialen, kulturellen, theologischen, akademischen und wirtschaftlichen Institutionen. Existenzialisten wie Simone de Beauvoir verabscheuten es, Erklärungen für menschliches Verhalten zu akzeptieren, die behaupteten, dass dieses durch ein unverrückbares „Wesen“ festgelegt sei. Jean-Paul Sartre bestand darauf, dass sich der Charakter eines Individuums in Resonanz zu seinen Umständen, durch seine freien Entscheidungen, entwickelt. Wir werden hier hineingeworfen, in situ, konfrontiert mit unserem freien Willen, und wir müssen unsere Entscheidungen vor einem Hintergrund an Tatsachen treffen, die wir nicht beeinflussen können, wie beispielsweise dem biologischen Geschlecht in das wir hineingeboren werden. Aber was wir damit „machen“, liegt bei uns selbst. Während klar ist, dass nur Frauen Kinder gebären können, sind die damit verbundenen Konsequenzen nicht vorherbestimmt und die aktuelle Arbeitsaufteilung nur ein mögliches Arrangement einer Palette der uns zur Verfügung stehenden gesellschaftlichen Orgnaisationsformen.

So wie die einstigen Feministinnen, überschritten ursprünglich auch mal schwule, lesbische und bisexuelle Individuen die Geschlechterstereotype, die die Gesellschaft ihnen anerzogen hatte. Den normativen und weit verbreiteten heterosexistischen Gendermythen entsprechend, wurden diese „queeren“ Leute als „Butch“, „Sissies“, „Dykes“ und „Fairies“ gelabelt – Beleidigungen, die dazu dienen sollten, all jene zu stigmatisieren, die sich weigerten sich entsprechend der sexistischen und heterosexistischen Geschlechterrollen, die ihnen beigebracht wurden, zu verhalten und zu kleiden. Also entschlossen sich „Schwuchteln“ und „Lesben“ diese abfälligen Spitznamen zurückzuerobern, sie an sich zu nehmen und durch sie, als Zeichen des Widerstands, der Intoleranz der Kulturmythenschmiede den Spiegel vorzuhalten.

“Indem sie Geschlechternormen in eine Art Theater verwandelten, zeigten Dragkünstler, dass man Geschlechterrollen, unabhängig von den Genitalien, imitieren kann, und offenbarten damit die Tatsache, dass „Gender“ keine naturgegebene, sondern eine antrainierte Form von Rollenspiel ist, das mitgespielt oder abgelegt werden kann (pace Judith Butler). Die „Queeren“ waren Versinnbildlichungen der Unfähigkeit von „Gender“, zu realen Menschen zu passen. Das alles war fortschrittlich, weil es die sexuell konservative Mär entblößte, dass alle Männer heterosexuelle Persönlichkeitseigenschaften haben, die sich von denen der Frauen unterscheiden und umgekehrt.”

Den Feministinnen dicht an den Fersen, begannen die “Homos” darauf aufmerksam zu machen, dass ganz oben auf der Liste der sozialen Mythen darüber wie „Jungs“ und „Mädchen“ dazu kommen sich als solche zu fühlen, die Annahme steht, dass sich alle zum entgegengesetzten Geschlecht hingezogen fühlen. Vieles an den Geschlechterrollen wird auf der Grundlage von Heterosexismus und heterosexuellen „Rollenspielen“ konstruiert. Die kulturell normierten männlichen und weiblichen Rollen innerhalb der Gesellschaft (z.B. Gender) werden als Teil der westlich-christlichen Fetischisierung und Mystifizierung der Geschlechterunterschiede ritualisiert. Die Unterschiedlichkeit zwischen Männern und Frauen aufzubauschen, das entgegengesetzte Geschlecht zu mystifizieren, und sexuelle Handlungen zu tabuisieren, erhöht den Reiz, das Geheimnisvolle des „anderen“ zu durchdringen und Grenzen zur sexuellen Erfüllung zu überwinden. Die Vorannahme einer den Menschen innewohnenden Heterosexualität erleichterte die Einteilung der Menschen in zwei gegensätzliche, sich gegenseitig anziehende Arten. Ebenso wie Feministinnen sich geweigert hatten, eine Definition von „Frau“ zu akzeptieren, die diese zum Gegenpol des männlichen Ideals erklärte, weigerten sich Homosexuelle, sich als fehlerhafte oder kranke Heterosexuelle zu sehen.

Sowohl für die Feministinnen als auch die „Queers“ des späten zwanzigsten Jahrhunderts wurde das Natürliche durch das Soziale unterdrückt. Gleichzeitig aber wurde das „Natürliche“ durch kulturelle und theologische Annahmen erzeugt. Vorstellungen über Gender sind nicht einfach nur Ergebnisse empirischer Beobachtung; sie sind die Vorannahmen dieser „Forschung“. Folgerichtig „verkehren“ Individuen, sobald sie den Geschlechtsstereotypen nicht entsprechen, scheinbar die (als wahr und unverrückbar angenommenen) Geschlechterrollen, entblößen sie als Erfindungen. Sobald Individuen, wenn sie beobachtet werden, sich nicht den sozialen Gendervorstellungen konform verhalten, sollte das ein Beweis dafür sein, dass soziale Gendervorstellungen fehlerbehaftet sind. Stattdessen aber sind die Geschlechterrollen a priori-Annahmen, und Belege, die diesen widersprechen, werden als „abnormal“ und abweichend eingestuft, und nicht als Indiz dafür gesehen, dass die „Norm“, von der ausgegangen wurde, von vornherein falsch war. Der gesamte konzeptuelle Rahmen, in dem Gender untersucht wird, weist das Problem von zirkulären Schlüssen auf. „Männer sind vom Mars und Frauen von der Venus“ von John Gray ist ein Lehrstück dieser unwissenschaftlichen Methoden.

D ie neue Transgenderbewegung ist keine Erweiterung der bisherigen Bestrebungen sexistische und heterosexistische Mythen zu dekonstruieren. Sie verbindet Feministinnen und genderqueere Menschen nicht, als vereinte Front, die sich heterosexistischen Märchen und Geschlechtsstereotypen widersetzt, solidarisch miteinander. Viel mehr spaltet und erobert sie diese früher mächtige kulturelle Gegenbewegung, raubt dessen Sprache und ahmt dessen politische Haltung nach, um ihre gegenteilige Intention zu verbergen. Die Transgender, die diese neue anti-queere Revolution angeführt haben, sind tatsächlich nur wenige; sie sind aber Teil des gut situierten Establishments und haben den vollen Rückenhalt der Medien, wenn es darum geht ihre Sache voranzutreiben – ein weiterer Umstand, der sie von ihren genderqueeren Vorgängern der 80er und 90er unterscheidet.

In den vergangenen Jahren wurde „Gender“ von einer reaktionären Bewegung radikal umdefiniert, verwandelt weg von einer Reihe an Konventionen und Einschränkungen bezüglich dessen, was Männer und Frauen sein und tun können, hin zu einem innerseelischen Zustand. Chrissie Daz liegt richtig damit, dass sich das Verständnis von Gender im einundzwanzigsten Jahrhundert grundsätzlich verändert hat und die neuen Transgenderkrieger für einen grundlegenden Paradigmenwechsel im Verständnis von Gender innerhalb der letzten vierzig Jahre stehen. Gender, eine Idee, die früher von der liberalen Linken gegen konservative sexistische und heterosexistische Gesellschaftsnormen eingesetzt wurde, wird nun umgeformt zu einer Waffe im Arsenal einer rückschrittlichen Politik, die nicht nur sexistisch sondern auch homophob ist. Die heutige Transgenderbewegung festigt den Mythos, dass Männer und Frauen grundsätzlich unterschiedliche Spezies seien, nicht nur bezüglich Fortpflanzung, sondern auch mental – mit unterschiedlichen Wünschen, unterschiedlichen Bedürfnissen, unterschiedlichen Neigungen, und unterschiedlichen Psychen. Heutzutage bejahen die Sprecher der Transgenderbewegung die traditionell konservative Vernatürlichung von „Maskulinität“ und „Femininität“ als innewohnende psychologische Zustände: in den Menschen von Geburt an angelegt, aus chemischen Prozessen im Hirn und anderen hormonellen Interaktionen entstehend. Die fortschrittliche Idee, dass es keine einheitliche Art und Weise gibt, wie sich alle Jungs als solche (oder alle Mädchen als solche) zwangsläufig „fühlen“ oder „denken“ wurde ausrangiert.

Anstatt eine starre, heterosexistische Binarität zu verurteilen (wie ihre Rhetorik es scheinen lässt), gehen die Transkrieger davon aus, dass ihr inneres Selbst („Identität“) von Natur aus „maskulin“ oder „feminin“ ist, unabhängig von irgendeiner Sozialisation. Der Einfluss kultureller Indoktrination ist scheinbar unerheblich. Gender wurde auf einen Schlag entpolitisiert, vernatürlicht und medikalisiert.

Gender ist mittlerweile ein Konzept, dass, so scheint es, die Art von politischer Arbeit auf sich nimmt, die man früher mit der Bürgerrechtsbewegung verband. In Wirklichkeit verdreht es die Logik mit der Bürgerrechte erreicht wurden. Die früheren Bürgerrechtler proklamierten, dass Diskriminierung, die auf biologischen Unterschieden wie Hautfarbe oder Geschlecht beruht, die Gleichheit aller Menschen als moralisch Handelnde übersieht. Menschen anhand gleicher körperlicher Eigenschaften zu gruppieren, vernachlässigt deren Individualität und ihr Wesen als Menschen. Gruppen von Individuen wurden über ihre Hautfarbe oder ihre Genitalien definiert, nicht durch menschliches Handeln, Charakter und Verhalten. So wurden Personen auf ihre Körper (oder Körperteile) reduziert während wichtigere und eindeutig menschliche Merkmale wie Verstand und Wille vernachlässigt wurden (Aspekte, auf denen die Beurteilung eines Charakters basieren sollte).

Heutige Gender-Rights-Aktivisten verlangen weder als Individuen behandelt zu werden noch empfinden sie ihr Wesen als selbst gewählt. Sie betonen einer „Minderheit“, definiert durch Genderidentität, anzugehören und anderen gleich zu sein, die denselben vermeintlich biologischen Zustand teilen. Während Bürgerrechtler Biologie unwichtig machten, behandeln Gender-Rights-Aktivisten sie als überwichtig. Die „Maskulinität“ oder „Femininität“ ihrer Psyche wird als angeborener Zustand angesehen, wie Haarfarbe und Hautpigmentierung. Da sie vorgeblich einer Gruppe von Menschen angehören, die durch diesen angeborenen biologischen Unterschied definiert wird, sollten sie Diskriminierung nicht mehr ausgesetzt sein als Frauen oder Personen, die der schwarzen, ethnischen Minderheit angehören. Während aber Frauen und Angehörige der schwarzen, ethnischen Minderheit in der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts bemüht waren, sich von reduktionistischen, biologistischen Definitionen ihrer Identität zu lösen und darauf drängten, nicht über ihre Genitalien oder ihre Hautfarbe definiert zu werden, verlangen die heutigen Transgender-Aktivisten die Anerkennung ihrer vorgeblich „biologischen“ Verschiedenheit, glaubend, dass ihnen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer biologisch verschiedenartigen Gruppe Bürgerrechte zustehen.

Um diese biologisch-deterministische Sicht auf deren „Zustand“ (eine angeborene, „gegenderte“ Psyche) einnehmen zu können, müssen wir zunächst die konservativen Annahmen über Gender akzeptieren. Wie wir weiter oben sahen, ist die Heterosexualität von „Männern“ und „Frauen“ mit Gender verschränkt. Wie dem auch sei, wenn Frausein in der heterosexistischen Gender-Ideologie bedeutet, ein erotisches „Gegenstück“ für Männer zu sein, dann identifizieren sich Lesben, da sie nicht auf Männer stehen und kein Objekt männlich-sexueller Aufmerksamkeit sein wollen, eventuell nicht sehr stark mit „Femininität“ (oder der weiblichen Geschlechterrolle). Ebenso wird es männlichen Homosexuellen schwer fallen in die heterosexuelle Maskulinität mit den dazugehörigen erotischen Vorannahmen zu „passen“.

“Sobald die binären Geschlechterrollen vernatürlicht und in einen von zwei heterosexuell gegenderten, psychischen Zuständen verwandelt worden sind, bleibt biologischen Frauen, die zu typisch „männlichen“ Verhaltensweisen oder sexuellen Bedürfnissen neigen, nur eine Möglichkeit – sie müssen tatsächlich biologische Männer werden. Wenn sie ein angeborenes Bedürfnis hätten, sich „wie Männer zu verhalten“ obwohl sie biologisch weiblich sind, wären sie krank („dysphorisch“). Das gleiche gilt für biologische Männer, die zu typisch „femininen“ Rollen und sexuellen Neigungen tendieren. In diesem Kontext wäre es nicht überraschend, wenn Homosexuelle verwirrt wären.”

Die Ärzte von Transgendern sehen Gender-Dysphorie als einen abnormalen psychosexuellen Zustand. Aber wenn die Dysphorie tatsächlich eine Folge oder ein Symptom eines innerhalb der Gesellschaft falschen Verständnisses der natürlichen geschlechtlichen Biochemie ist, dann ist die Erkrankung nicht dem Patienten inhärent; dann ist sie das Ergebnis eines Zusammenspiels zwischen dem Patienten und seiner ihn umgebenden Kultur. Tatsächlich konstruieren der Eugeniker Nicholas Agar und die christlichen Bioethiker Michael J. Reiss und Roger Straughan Krankheit als ein sozial konstruiertes Konzept, oder „in gewissem Sinne, als Zusammenspiel zwischen Person und Gesellschaft“.

Frühere Queer-Aktivisten argumentierten hingegen, dass das Wesen des Zusammenspiels – nicht das Wesen des Patienten – den Patienten „unglücklich“ macht. Ein soziales „Unwohlsein“ bzüglich Verschiedenartigkeit wird schließlich neu entworfen als psychosexuelle Abweichung im Wesen des Patienten. Das „gestörte Gehirn“ der Person wird als Ursache für eine unannehmbare Interaktion von Individuen und sozialen Institutionen angesehen. Als politische Folge wird Kritik weggelenkt von sozialen Institutionen, die vielleicht reformiert werden müssten, hin zum abweichenden Individuum, von dem Veränderungen verlangt werden. Er muss verändert werden um in die Institutionen zu passen.

Um eine Idee davon zu bekommen, wie das funktioniert, müssen wir uns nur die Situation von Homosexuellen im Iran vor Augen führen. Der Iran ist eine sexistische, intolerante, homophobe Theokratie, in der der heteronormative Status-Quo durch fundamentalistische religiöse Gesetze streng durchgesetzt wird. Die offizielle, staatliche Lösung für Homosexualität ist entweder (1) diejenigen, die sie offen praktizieren, zu bestrafen oder hinzurichten oder (2) Homosexuelle zu „ermutigen“ chirurgisch, zum „richtigen“ Geschlecht zu transitionieren, so dass sie wieder in die heterosexuelle Norm passen, d.h. in die einzige Norm, die der Iran toleriert. Entsprechend hat der Iran die zweithöchste Anzahl von geschlechtsverändernden Operationen weltweit, hinter Thailand. Dies scheint analog zur chemischen Aufhellung der Haut eines Schwarzen, um ihm das Leben in einer rassistischen Gesellschaft angenehmer zu machen, während eigentlich der gesellschaftliche Rassismus angegangen werden müsste. Es wirkt politisch rückschrittlich. Statt die heteronormative Binarität abzulehnen oder zu dekonstruieren, scheint die Medizinindustrie bei einem transgender Individuum die wortwörtliche „Dekonstruktion“ ihrerselbst – wortwörtlich ihres eigensten Körpers – zu unterstützen, so dass sie ihn, dem binären heterosexistischen Bild entsprechend, neu erschaffen kann. Diese Gewalt wird maskiert als Mitgefühl.

Das ist der sowjetischen „Medizin“ der frühen 1970er Jahre nicht unähnlich, wo der sowjetische Staat Gewalt nur als letztes Mittel zur Bekämpfung der regimekritischen Intelligenzija, die begonnen hatte auf mehr politische Freiheit zu drängen, nutzte. Psychiatrische Untersuchungen und die Diagnose psychischer Störungen (typischerweise Schizophrenie) wurden zu den bevorzugten Maßnahmen mittels derer die Einweisung von Dissidenten in psychiatrische Krankenhäuser erwirkt werden konnte. Angesichts der politisch angespannten historischen Beziehung zwischen der LGBTI-Bewegung und den politischen Institutionen des Establishments, lässt sich der momentane Trend der Transgender-„Behandlung“ möglicherweise am besten im Licht von Michel Foucault analysieren, der argumentierte, dass die gesamte Kategorie psychischer Störungen ein Ausdruck gesellschaftlicher Machtbeziehungen ist. Vereinfacht gesagt ist Foucault’s Ansicht, dass Wahnsinn nicht Teil eines Individuums sondern eine soziale Definition ist, die auf Wunsch der Gesellschaft auf einen nicht-konformen Anteil der Bevölkerung angewendet wird.

Die scheinbare mitfühlende und fortschrittliche medizinisch- klinische Anerkennung des transgender „Patienten“ könnte in Wirklichkeit die heteronormative Binarität verstärken, die für viele gender-queeren Menschen lange Leid und Entfremdung erzeugt hat. Gegen informierte, einwilligende Erwachsene, die chirurgisch zu einem Körper transitionieren, in dem sie sich wohlfühlen, müssen wir keine Einwände erheben. Liberal-Progressive sollten aber vielleicht einen Moment über die Eile nachdenken, mit der diese Option unkritisch oder als primäre Lösung für Menschen, die unter Gender-Dysphorie leiden, bereitwillig angenommen wird.

Es gibt einfach keine Möglichkeit herauszufinden, ob das Unglücklichsein mit dem biologischen Körper ein Beiprodukt der dogmatischen, kulturellen Sozialisation oder ein innewohnender Zustand ist, da Kinder in allen Kulturen durch Geschlechterrollen indoktrinieren werden, wenn auch auf verschiedene Arten und Weisen. Es gibt keine Kontrollgruppe gegen die man gender-indoktrinierte Individuen vergleichen könnte. Die Behauptung der Transaktivisten aber, dass manche biologischen Mädchen/Frauen inhärent „maskulin“ und manche Jungs/Männer inhärent „feminin“ seien, nimmt vorweg was sie beweisen müsste: nämlich, dass Gender [i.S.v. sozialen Geschlechterrollen] natürlich und der psychosexuellen Veranlagung des Individuums innewohnend ist, statt eine Ansammlung von kulturell weitergereichten Fiktionen zu sein, die er oder sie internalisiert hat. Während es kein Problem darstellt, Geschlecht [sex] oder sexuelle Orientierung als der biologischen Veranlagung innewohnend oder inhärent anzusehen, heißt das nicht, dass wir deshalb verpflichtet sind eine essentialistische Theorie von Gender anzunehmen. In Wirklichkeit wirken liberale Queers und Feministinnen dem Fortschritt entgegen, in dem sie die Unterscheidung zwischen Anlage und Umwelt, die das vorhergehende Konzept von Gender verdeutlichte, aufgeben.

In dem Kontext eines biologisch-deterministischen Verständnisses von Gender wird es schwierig, die homosexuelle von der transgender Person zu unterscheiden. Letztere wird konzeptualisiert als heterosexuelle „männliche“ oder „weibliche“ Psyche, die im „falschen“ Körper gefangen ist. Aber falsch in Bezug zu wem oder was? Unabhängig davon ob jemand homosexuell oder heterosexuell ist, stellen heterosexuelle, binäre Normen von Geschlechterrollen eine Reihe von mächtigen Einschränkungen bezüglich dessen, wie eine Person mit männlichen oder weiblichen Genitalien sich verhalten wird, dar. Aufgrund der sexuellen Erwartungen, die den (heterosexistischen) Gendernormen innewohnen, ist Homosexualität einer der guten Gründe, weshalb sich eine Gruppe von Menschen einfach in ihren Körpern nicht „zuhause“ fühlt. Aber auch einige heterosexuelle Menschen finden es unglaublich schwer sich mit den vielen verhaltensmäßigen Erwartungen, die an ihre Geschlechtsrolle geknüpft sind, zu identifizieren. Manche Menschen finden Gender [i.S.v. sozialen Geschlechterrollen] einfach zu befremdlich und können sich den dazugehörenden Generalisierungen über „Männer“ und „Frauen“ nicht anpassen. Dies ist keine Erkrankung der Personen, sondern ein Symptom des sozialen Unbehagens bezüglich Vielfaltigkeit. Alle Individuen werden nachhaltig „ermutigt“ zu glauben, dass es ihnen besser geht, sie glücklicher sind, wenn ihre Vorstellungen von ihrem biologischen „Selbst“ zu dem kulturell akzeptierten passt. Und so wären sie vielleicht auch glücklicher, wenn sie transitionieren würden anstatt zu cross-dressen oder mit der ständigen Ablehnung zu leben, die jeden nicht-konformen Menschen trifft. In einer liberalen Gesellschaft sollte diese Option nicht unmöglich sein, aber – noch einmal – sie sollte nicht Vorrang vor dem Kampf für neue, soziale Reformen haben und es sollte eine Entscheidung sein, die von einem Erwachsenen getroffen wird, der sich der Rolle, die die Kultur bei seinem Verständnis seines Selbst spielt, vollkommen bewusst ist.

Um eine Ahnung von den sich abzeichnenden politischen Folgen des aktuellen Trends von Transgenderrechten zu bekommen, müssen wir uns klar werden, in welcher Beziehung deren Kernkonzepte zu Frauenrechten, LGBI-Rechten und „liberalen“ Eugenikern stehen. Transhumanisten/“liberale“ Eugeniker (Nicholas Agar, Julian Savulescu, James Hughes, Nick Bostrom, David Pearce, Gregory Stock, John Harris, Johann Hari, et al.) verbinden ihre Biopolitik mit freier Marktwirtschaft um bei einer scheinbar „liberalen“ Sozialpolitik bezüglich der Anwendung von Biotechnologie anzugelangen. Diese, nach deren Selbstbezeichnung, „liberalen Eugeniker“, setzen sich für einen unbegrenzten und/oder unregulierten Einsatz von Reprogenetik ein. Sie unterscheiden zwischen Reprogenetik und Eugenetik insofern, als dass die letztere staatlichen Zwang mit der Idee eines Nutzens impliziert. Die erstere würde von einzelnen Eltern, mit dem Ziel deren Kinder entsprechend ihrer Vorlieben zu gestalten, freiwillig in Anspruch genommen werden. Das ist „privatisierte“ oder „marktliberale“ Eugenetik (und so gibt es dabei selbstverständlich einen finanziellen Anreiz, deren Einsatz zu fördern).

“Im Bauch des scheinbar fortschrittlichen Trojanischen Transgender-Pferdes befindet sich eine rückschrittliche Sexualpolitik, die bereit ist Medizin und Biotechnologie zu nutzen um uns zuerst chirurgisch und chemisch – und später möglicherweise sogar genetisch – in unsere traditionellen Rollen der uralten heterosexuellen Binarität zurückzuentwickeln. Das soziale Engineering, normalerweise mittels Disziplin und Strafe durchgesetzt, könnte schon bald mit Hilfe von Biotechnologie, vorgeburtlichen Hormonbehandlungen und/oder genetischen Eingriffen erreicht werden.”

FALLS eine biologische Ursache für homosexuelle Anziehung existiert, würde eine Auslöschung dieser mit Sicherheit homosexuelles Verhalten reduzieren. Das zu leugnen, bedeutet so zu tun, als wären frei gewählte sexuelle Akte unabhängig von nicht frei gewählter sexueller Anziehung. Das sichere Ziel von reprogenetischen Eingriffen wird sein, das frei gewählte homosexuelle Verhalten eines Individuums zu eliminieren, indem man die nicht frei gewählte biologische Prädisposition dafür eliminiert. Das wird nicht geschehen, indem man dem Individuum seinen freien Willen nimmt, sondern indem man biologisch die Richtung, in der sich der freie Wille am wahrscheinlichsten äußern wird, steuert. Können diejenigen, deren primäre sexuelle Orientierung heterosexuell ist noch homoerotischen Akten nachgehen? Natürlich können sie. Aber das verfehlt den Punkt. Reprogenetische Eingriffe, die homosexuelles Verlangen verhindern, würden eine Form von sozialem Engineering darstellen, das in keiner Weise in einem medizinischen Sinne therapeutisch wäre, aber darauf abzielen würde, das Verhalten eines anderen Individuums (ohne dessen Zustimmung) auf die Lebensziele zu beschränken, die die Eltern vorsehen. Die Zukunft würde so aussehen, dass homosexuelle Menschen niemals durch ihr „Coming Out“ gegen die Indoktrination homophober Eltern rebellieren würden, einfach weil sie es nicht wollen würden.

Die neue Trans-Bewegung entfernt (egal ob absichtlich oder nicht) die einzige Barriere, die Eltern davon abhalten würde, von einer impliziten Zustimmung eines Patienten zu dieser Form der pränatal-eugenetischer „Behandlung“ seines psychosexuellen Zustandes, ausgehen zu können. Um homosexuelle Orientierung als medizinischen Zustand, der „Behandlung“ bedarf, definieren und anvisieren zu können, muss diese „Behandlung“ zunächst von homophober, medizinischer Gewalt unterschieden werden, die zu angreifbar wäre. Alles was fehlt, um diese Unterscheidung durchzusetzen, ist die Vorannahme, dass Patienten solch einer „Behandlung“ erfreut zustimmen würden. In ihrem eiligen Annehmen von „Transgender-Rechten“, liefern gutmeinende Liberale und Homosexuelle genau diese Prämisse. Eine homophobe, eugenetische Bewegung hat nach dem heiligen Gral der biologischen sexuellen Orientierung gesucht, um einen Weg zu finden diese zu verändern. Wenn sie jemals eine biologische Ursache für homosexuelle Orientierung ausfindig machen können, ist alles was ihnen dann fehlt, um diese „heilen“ zu dürfen, ein konzeptueller Rahmen, der homophobe Genveränderungen oder pränatale Hormonbehandlungen als wohlmeinend erscheinen lässt. Da die „Behandlung“ an einem ungeborenen Fötus durchgeführt werden würde, müssten Kliniker Homosexualität auf eine Art und Weise pathologisieren, die es den Eltern ermöglicht, von der Zustimmung des Patienten (Nachwuchses) zu deren „Heilung“ auszugehen.

Davon können sie aber nur dann ausgehen, falls bereits lebende Individuen mit nicht-binären Sexualitäten zustimmen würden, sich selbst zu verändern. Die Transgender-Bewegung kämpft darum, den „Zustand“ des Abweichlers als einen klinischen anzuerkennen, und darum, die „Rechte“ der Patienten, Zugang zu medizinischer Unterstützung bei der Transitionierung zurück in eine sozial konservative Definition von Gesundheit, zu bekommen.

Wenn einige der Transitionierten am Ende nicht heterosexuell sind, werden sie dennoch die heterosexistische Ansicht unterstützt haben, dass Gender, für eine Untergruppe von Individuen, ein innerbiologischer Zustand ist, der dazu führt, dass sie sich schlecht fühlen. Als freiwillige Patienten, die die theoretische Medikalisierung ihres Leidens akzeptiert haben, werden sie bei der theoretischen Umformung von politischen Angelegenheiten in klinische Pathologien eine Rolle gespielt haben. Obgleich die Trans-Unterstützer gute Absichten haben, helfen sie tragischerweise Sozialkonservativen der Öffentlichkeit eine eugenetische Agenda zu verkaufen, indem sie es als Ausdruck von Mitgefühl oder Diversitätstoleranz ausgeben.

Es gibt keinen Grund dafür, dass wir nicht Mitgefühl für Menschen haben können, die das Empfinden haben in einem „falschen“ biologischen Körper gefangen zu sein. Das problematische ist nicht, wie diese Menschen empfinden. Vielmehr ist das Problem, wie deren Empfinden gerahmt oder interpretiert wird, was teilweise dem sozio-politischen Kontext, in dem dieses Empfinden überhaupt entsteht, geschuldet ist. Wie Sarah Ditum argumentierte, ist „die Tatsache eines Leidens kein Beweis dafür, dass der Leidende eine verlässliche Einsicht in die Quelle dieses Leides hat.“ Würden Gesellschaften auf der Annahme beruhen, dass die natürliche menschliche Sexualität (Anziehung) sowohl heterosexuelle als auch homosexuelle Ausprägungen beinhaltet, würde das nicht nur dazu beitragen das Stigma, das Intersex-Geborenen anhaftet, zu beseitigen; es würde auch zu einem großen Teil Homophobie und (in einem großen Ausmaß) Sexismus verringern. Und weil dies auch sexistische Mythen über Gender – die befremdlich für diejenigen sind, die sich mit den sozialen Rollen, die den Menschen aufgrund ihres biologischen Geschlechts zugeschrieben werden, nicht wohl fühlen und nicht wohl fühlen können – aufbrechen würde, würde es sehr wahrscheinlich auch das Wohlbefinden derer verbessern, die momentan das Gefühl haben im „falschen“ Körper gefangen zu sein.

T M Murray, PhD, ist die Autorin von “Thinking Straight About Being Gay: Why it Matters If We’re Born That Way”


Titel des englischen Originalartikels: “The Hijacking of Gender: A Feminist Take on Transgenderism”

Quelle: http://www.cultureontheoffensive.com/hijacking-gender-feminist-take-transgenderism/

Ins Deutsche übersetzt von Anna Strom mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Die deutsche Übersetzung wurde zuerst 2018 auf dem Blog der Störenfriedas veröffentlicht (danke!).