Stellungnahme des Radfem Kollektiv Berlin zur Antrag “Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen”, 19.09.2024

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Sehr geehrte Damen und Herren,

wir bitten Sie dem Antrag der CDU/CSU Fraktion vom 20.02.204 “Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen” (Drucksache 20/10384) zuzustimmen, denn die Dringlichkeit der Abschaffung der Prostitution ist uns als Feministinnen klar und wird auch in aktuellen Studien über Freier deutlich.

Prostitution ist klar erkennbar eine Form von männlicher Gewalt gegen Frauen, da zirka 99% der Freier männlich und 90 % der Prostituierten weiblich sind und somit ein dringendes feministisches Anliegen. Das Prostitutionsgesetz von 2002 ist gescheitert und braucht einen Ersatz, denn die Lage prostituierter Frauen hat sich seit Schaffung des Gesetzes verschlimmert: sie sind Gewalt und Nötigung ausgeliefert, die zumindest in Teilen legal wurde, in legalen Bordellen stattfindet und kaum verfolgt werden kann.

Als Feministinnen stehen wir hinter dem Antrag, besonders stimmen wir folgenden Punkten zu:

  • Menschenhandel wurde mit dem Gesetz von 2002 verstärkt, da durch die Legalisierung der Prostitution vor allem die Nachfrage erhöht wurde.
  • Prostitution ist Vergewaltigung, da die Lebensumstände, meist Armut, Menschenhandel und/oder vorhergegangene Traumata die Betroffenen in die Prostitution treiben und somit von freiwilligem Sex keine Rede sein kann.
  • Die beabsichtigte Schutzfunktion des Staates gegenüber den angreifbaren Menschengruppen wird nicht erreicht, denn die meisten Prostituierten sind nicht registriert und somit ist die beabsichtigte wechselseitige Interaktion mit dem Staat nicht gegeben.
  • das ‚nordische Modell’ mit seinen Säulen zeigt in den Ländern, die es eingeführt haben, dass es erfolgreich den Sexkauf reduziert, ohne auf Kosten derjenigen zu gehen, die weiterhin Sex zum Kauf anbieten und Prostituierten eine Möglichkeit für Selbstwirksamkeit und -bestimmung gibt.

Wir beschreiben auch in unserer Manifesta den feministischen Blick auf Prostitution und warum sie abgeschafft werden muss. Gerne können Sie den Text hier nachlesen: https://radfemkollektivberlin.net/manifest/

Kritisch sehen wir folgenden Punkt: die Sexualassistenz für Menschen mit Behinderung sollte genauso gehandhabt werden wie andere sexuelle Dienstleistungen. Da es kein Recht und keinen Anspruch auf Sex gibt, der eine Ausnahme rechtfertigen könnte, dürfen hier keine rechtliche Grauzonen geschaffen werden, die ohne Zweifel noch für andere Zwecke missbraucht würden.

Die Erwartung an die Umsetzung der gelisteten Punkte 1 bis 16 sind aus unsere Sicht nicht, dass Prostitution damit vollständig aus Deutschland verschwindet. Das Ziel sollte aber sein, die Möglichkeiten zu schaffen, dass Betroffene sich aus Zwangssituationen befreien können, und das herrschende Machtverhältnis aufzulösen.

Mit feministischen Grüßen,
das Radfemkollektiv Berlin


Statement by Radfem Kollektiv Berlin on the proposal “End inhumane conditions in prostitution – punish the purchase of sex”, 19.09.2024

Dear Madams and Sirs,

we ask that you agree to the motion of the CDU-CSU faction from the 20.02.2024, “Menschenunwürdige Zustände in der Prostitution beenden – Sexkauf bestrafen” (Drucksache 20/10384), because the necessity of prostitution abolition is clear to us as feminists and is also made obvious by current studies about sex buyers.

Prostitution is easily recognised as a form of male violence against women, since about 99% of sex buyers are male and about 90% of prostituted people are female, and is thus an urgent feminist cause. The prostitution law of 2002 has failed and needs a replacement, because the situation of prostituted women has grown worse since the law was written: they are subjected to violence and coercion that are at least partially legal, take place in legal brothels, and can rarely be prosecuted.

As feminists we support the motion and especially agree with these points:

  • Human trafficking has been increased by the 2002 law, as the legalization of prostitution has raised mainly the demand.
  • Prostitution is rape, as circumstances, commonly poverty, trafficking, and/or prior trauma, pushes the affected people into prostitution and thus there can be no free consent to sex.
  • The intended protection of the state towards vulnerable groups of people cannot be achieved, because most prostituted people are not registered and thus there is no mutual interaction with the state.
  • The „Nordic Model“ with its three columns shows a successful reduction in sex purchase in the countries that have implemented it, without harming those who still offer sex for purchase, and offers prostituted people a way to self-actualize and self-determine.

We explain the feminist perspective on prostitution and why it must be abolished in our Manifesta. You are welcome to read this text here: https://radfemkollektivberlin.net/manifest/

We are critical of the following point: sexual assistance for people with disabilities should be treated the same as all other sexual services. As there is no right or entitlement to sex that might justify an exception, there should not be any legal gray areas created that would doubtlessly be exploited for other uses.

The expectation for implementation of points 1 to 16 from our perspective are not that prostitution fully disappears from Germany. The goal should instead be to create the option for affected people to free themselves from coercive circumstances and to dissolve the existing imbalance of power.

With feminist greetings,
Radfem Kollektiv Berlin